Navigation

Vollständige Rede Ferdi Buffen 2020

Artikel vom  27.08.2020 16:02 Uhr von Andre Schäfer
Kartoffeln

Mit freundlicher Genehmigung der Wilhelm Weuthen GmbH & Co KG veröffentlichen wir hier die vollständige Rede von Herrn Buffen zur Marktsituation 2020.

 

 

Aktuelle Situation und Markteinschätzung für die Ernte 2020

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Kunden, Landwirte, Pflanzgutlieferanten, Aussteller und andere Dienstleister rund um die Kartoffeln. Sehr gerne hätten wir sie heute auf unserem Kartoffeltag persönlich begrüßt. Doch wie alle anderen Großveranstaltungen ist auch der 31. Weuthen Kartoffeltag der Corona-Krise zum Opfer gefallen.

Im letzten Jahr um diese Zeit war die Welt noch in der gewohnten Ordnung. Auch die Kartoffelwirtschaft war im letzten Jahrzehnt getrieben von höher, schneller und weiter. Das Wachstum, insbesondere der europäischen Verarbeitungsindustrie, kannte keine Grenzen. Wir alle haben von diesem Wachstum profitiert und sind in den letzten Monaten auf den harten Boden der Tatsachen aufgeschlagen. Seit Februar ist nichts mehr wie es war und wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen mit dem Virus umzugehen und zu leben.
Was wäre, wenn Corona nicht gekommen wäre?

Eines ist sicher: „Wir hätten einen ganz anderen Kassamarkt wie er sich heute präsentiert“. Wir sind im dritten Dürrejahr in Folge und bei normalen Vor-Corona Absätzen im Verarbeitungsbereich würden wir uns heute Sorgen um die Rohstoffversorgung machen. Doch es ist anders gekommen. Mit dem Lockdown der Weltwirtschaft wurde der Kartoffelwirtschaft rund um die veredelten Produkte die zu einem Großteil im Gastronomiebereich abgesetzt werden, der Boden unter den Füßen weggezogen.

Trotzdem darf ich heute feststellen, dass wir die sehr große Herausforderung der Pandemie gemeinsam mit unseren Abnehmern und Landwirten meistern mussten und weiter meistern werden. Dies ist nur mit großen finanziellen Einbußen in der gesamten Wertschöpfungskette verbunden. Die vermeintlichen Überschüsse konnten einer alternativen Verwertung in Stärke-, Flocken-, Granulat-, Biogas oder Futtermarkt zugeführt werden.

Wie ist die neue Ernte bisher verlaufen?
Seit Beginn der Pandemie ist der Markt zweigeteilt. Insbesondere der Speisekartoffelmarkt über den LEH und die ab Hof Verkäufer profitierten von den Hamsterkäufen. Dieser positive Trend hält an und die frisch zubereitete, schmackhafte Speisekartoffel findet wieder deutlich mehr Anklang bei den Verbrauchern. Auch der Chipsabsatz ist erfreulich gut. Durch fehlende Großveranstaltungen, Events, Messen, Reisebeschränkungen und Auflagen im Gastronomiebereich sind die Absätze bei Pommes Frites aber immer noch deutlich unter Vorjahresniveau. Die Kartoffelwirtschaft wollte, ähnlich dem Vorbild USA, die Kartoffelflächen einschränken, aber die Anbauplanung und die Auslieferung der Pflanzkartoffeln zur diesjährigen Auspflanzung waren zu Beginn der Pandemie weitest gehend abgeschlossen.
Trotz aller Maßnahmen konnte eine leichte Anbauausdehnung um 2 % in den wichtigen Anbauregionen Europas nicht mehr verhindert werden. Daher war zumindest den Pommes Frites Anbauern klar, dass bei gefüllten Tiefkühlhäusern und sehr langer Verfügbarkeit von alterntiger Lagerware der Marktzugang verspätet und schwierig sein würde.

Wen wir Ende August ein erstes Fazit ziehen, können wir folgendes feststellen:
- Die Importsaison von Speisefrühkartoffeln ist halbwegs planmäßig abgewickelt worden.
- Die Vermarktung der Speisefrühkartoffeln aus deutschen Anbauregionen ist bis Ende Juli zu befriedigenden Erlösen gelaufen. Da sich seit Beginn August jede Region selbst versorgen kann, gibt es jetzt vor allem in der Pfalz und Niedersachsen noch Frühsorten die auf den Markt drängen und zum Teil zwischengelagert werden müssen. Die Preise hierfür sind deutlich unter Notierung angesiedelt.
- Chipskartoffeln sind bisher planmäßig abgeflossen. Die Absätze in diesem Segment sind erfreulich positiv.
- Im Verarbeitungsbereich ist die Vermarktung der Früh- und Anschlusssorten Anfang September weitest gehend abgeschlossen. Dies hat auch damit zu tun, dass aufgrund von Frostschäden und Trockenheit die Erträge in diesem Segment unterdurchschnittlich waren. Trotzdem konnte freie Ware weiterhin nur zu sehr niedrigen Preisen in alternative Verwertungen vermarktet werden.
- Die hervorragende Infrastruktur des Rheinlandes hat sich in diesem Jahr als großer Wettbewerbsvorteil heraus gestellt. Auf den leistungsfähigen Sortieranlagen konnten wir auf den Bedarf und die Spezifikation der Werke exakt einspielen, was uns einen enormen Vorsprung verschafft hat. Auch die Strategie neben den Ertragsstarken Standardsorten den frühen Fastfoodbedarf mit vorgekeimten Zorba und Innovator zu bedienen hat sich als Erfolgsrezept bewährt. Die Flexibilität, Zuverlässigkeit und Qualitätssicherheit durch Beregnungskapazitäten haben wir gemeinsam mit den Landwirten erneut unter Beweis gestellt.

Die Haupternte stellt sich unserer Meinung nach folgendermaßen dar:
Unsere Proberodungen liegen aus allen wichtigen Anbauregionen vor. Sah es noch Anfang Juli nach einem Rekordertrag aus, so haben doch die letzten heißen und trockenen Wochen ihre Spuren hinterlassen. Neben dem extrem trockenen Rheinland müssen wir jedoch auch über den Tellerrand hinausschauen. Insbesondere auf den schweren Kleiböden in den Niederlanden stehen die Kartoffeln noch deutlich vitaler und haben noch Wachstumspotential.

Die meisten Sorten haben einen geringeren Knollenansatz und fallen daher grobfallend aus. Auch die Stärkewerte sind gut und hoch. Neben gute Ausbeuten in der Fabrik bedeutet dies jedoch auch eine hohe Stoßempfindlichkeit. Auch viele Speisekartoffeln haben viel Stärke eingelagert. Neben dem Mangel an der Sortentypischen Kocheigenschaft wird die schonende Ernte eine große Herausforderung. Da viele Bestände bereits frühzeitig in die natürliche Reife übergehen besteht ein erhöhtes Risiko von tierischen Beschädigungen.
Wie sich die unter erneut extremen Bedingungen gewachsenen Kartoffeln entsprechend lagern, bleibt abzuwarten. Der Wegfall von CIPC stellt hierbei eine weitere große Herausforderung dar.

Wie viel Kartoffeln in den kommenden Wochen noch auf den europäischen Feldern zuwachsen und vor allem in der geforderten Qualität zur Verfügung stehen, können wir erst am Ende der Einlagerung beurteilen. Nach heutiger Einschätzung wird die Flächenausdehnung teilweise durch einen mittelmäßigen Ertrag aufgewogen. Jedoch haben besonders Bayern gute und die ostdeutschen Bundesländer eine etwas bessere Ernte wie in den Vorjahren zu erwarten.

Wir schätzen derzeit die Erntemenge wie folgt ein:
- Deutschland: 10,75 – 11,50 Mio. To
- EU 4+ GB : 26,00 - 28,00 Mio. To

Ohne die Corona Krise und einhergehende Absatzverluste im Verarbeitungsbereich wäre der Markt damit ausgeglichen bzw. eher knapp versorgt und wir hätten auch im Verarbeitungsbereich ein auskömmliches Preisniveau und einen aufnahmefähigen Markt für freie Ware. Die Haupternte und Einlagerung hat bisher noch nicht begonnen. Aber rechnerisch müssen wir heute mit der nackten Realität leben, dass das Angebot die Corona bedingt schwächere Nachfrage überschreitet.

Wegen der großen Unsicherheit auf den globalen Absatzmärkten für Pommes Frites ist daher eine realistische Preisprognose kaum möglich. Jede Preisvorhersage wäre heute reine Spekulation. Unserer Meinung nach ist der regionale Markt von Speisekartoffeln ausgeglichen. Das Preisniveau wird sich während der Erntephase hoffentlich knapp zweistellig behaupten. Im Laufe der Vermarktung wird es eine größere Preisdifferenz zwischen Premium- und Standardqualitäten geben.

Große Exportimpulse erwarten wir in den kommenden Monaten nicht. Das Preisniveau hierfür wird deutlich unter den Notierungen der regionalen Abpacker sein, weil auch Doppelnutzungsorten, Zwischengelagerte Frühsorten und Übergrößen aus der Pflanzgutproduktion auf diesen Markt drängen.

Für freie Verarbeitungskartoffeln erwarten wir bis Ende des Jahres nur Nachfrage in alternativen Verwertungen wie Stärke, Biogas und Futter. Das Preisniveau hierfür wird sich je nach Frachtparität zu den Stärke-, Biogas- und Rindviehbetrieben zwischen 1,50 € und maximal 3,00 € bewegen.

Die Verarbeiter produzieren derzeit zwischen 80 und 85 % vom Vorjahresniveau und sind dafür reichlich mit Verträgen eingedeckt. Sie werden bis Ende des Jahres kaum Bedarf von Zukäufen haben. Sorgen um drohende Einfuhrzölle, unsicheren Absätze in den wichtigen Märkten in Asien, Südamerika wo die Corona Pandemie noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, belasten das Geschäft. Ob sich der Markt dann im Frühjahr noch einmal anders darstellt, hängt maßgeblich von der weiteren Entwicklung in der Corona Pandemie ab. Erst eine flächendeckende Versorgung mit einem Impfstoff wird Großveranstaltungen, Sportevents, Volksfeste usw. wieder möglich machen. Daher ist der heutige Terminmarkt April wohl derzeit das einzige Spiegelbild für die Erwartungen im Frühjahr.

Ein Blick nach vorne:

Für die Auspflanzung 2021 erwarten wir eine gute Versorgung mit qualitativ hochwertigem Pflanzgut in der gewünschten Sortierung. Neben unserem bewährten Sortenpaket mit robusten, ertragreichen Sorten stehen auch vielversprechende neue Züchtungen in unserem Fokus. Auch die Kartoffelzüchtung steht durch die geänderten politischen Rahmenbedingungen bei der Düngung und beim Wegfall von Pflanzenschutzmittelzulassungen, vor großen Herausforderungen.

Wir werden uns für das Jahr 2021 entsprechend der geänderten Nachfragesituation aufstellen und die Anbauflächen anpassen müssen. Dabei werden frachtferne Regionen und nicht wettbewerbsfähige Standorte hintenüberfallen. Wir, die hochspezialisierte Landwirtschaft und die gesamte Kartoffelwirtschaft im In- und Ausland stellt sich dem zu erwartenden harten Wettbewerb und dem daraus resultierendem Preis- und Margendruck in der gesamten Wertschöpfungskette. Wir werden gemeinsam durch ein tiefes Tal schreiten müssen, aber mittelfristig ist und bleibt die nordwesteuropäische Kartoffelwirtschaft mit ihren hervorragenden Kartoffelprodukten sehr wettbewerbsfähig und wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Am viele Jahre bewährten grundsätzlichen System einer Auftragsproduktion durch Vertragsanbau werden wir auch in Zukunft festhalten.
In wie weit sich in Zukunft Produktionsstillstände aufgrund der großen Kostenerhöhung für die Keimhemmung von Ende Juli nach Juni verschieben bleibt abzuwarten. Unseren zuverlässigen, frühen, hoch spezialisierten Landwirten mit Möglichkeiten zum Vorkeimen, spielt dies sicher in die Karten.

Das engagierte Team der Firma Weuthen und aller RWZ Kartoffeltöchter haben sich in den letzten Monaten als verlässlicher Partner der Land- und Kartoffelwirtschaft bewährt. Wir werden auch in Zukunft Ihr sicherer, zuverlässiger und flexibler Partner sein.

Bleiben sie gesund und hoffentlich dürfen wir sie alle im nächsten Jahr wieder zum 31. Weuthen Kartoffeltag begrüßen.

 

Quelle: www.weuthen-gmbh.de

Zurück