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Rapsmarkt: Warum Brown Grease aus China in Europa die Preise drückt

Artikel vom  06.04.2023 19:22 Uhr von Stefanie Pionke

Der Rapspreis in Europa hat sich nach dem Ausnahmejahr 2022 mehr als halbiert und gibt weiter nach. Erholung ist – bleiben witterungsbedingte und andere Krisen aus - nicht in Sicht: Große Ernten in der EU, eine Rekordmenge an Canola aus Australien und Biodiesel-Importe aus China setzen den Markt unter Druck.

Der Raps-Future für den Frontmonat Mai an der Euronext in Paris hat nach dem Zwischenhoch am Montag in dieser Woche wieder knapp 30 EUR nachgegeben und schloss am Gründonnerstag bei 461,50 EUR/t. Damit hat der Kontrakt im Vergleich zum Vorjahr fast 600 EUR/t an Wert verloren.

Klar ist eines: 2022 war ein Ausnahmejahr. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stand die Verfügbarkeit von ukrainischem Raps und ukrainischer Sonnenblumensaat grundsätzlich in Frage. In der Energiekrise stieg der Preis für Rohöl kräftig und zog den Ölsaatenkomplex mit nach oben.

Rückgang auch auf Zweijahressicht

Blickt man zwei Jahre zurück auf Anfang April 2021, wurde Raps an der Euronext immerhin rund 30 €/t höher bewertet als heute. Dass auch auf Zweijahressicht ein deutlicher, wenn auch nicht extremer, Preisrückgang zu verzeichnen ist, ist auf das derzeit sehr hohe Angebot zurückzuführen.

Die EU-Kommission beziffert die verfügbare Menge auf dem EU-Rapsmarkt im laufenden Wirtschaftsjahr 2022/23 vor wenigen Tagen mit 26,3 (Vorjahr: 23,1) Mio. t, zusammengesetzt aus Anfangsbeständen von rund 0,5 Mio.t, einer Produktion von 19,6 Mio.t und Drittlandsimporten von 6,2 Mio. t.

„Das globale Rapsangebot in diesem Wirtschaftsjahr 2022/23 ist weitaus höher als ein Jahr zuvor aufgrund der Rekordproduktion in Australien, der Produktionserholung in Kanada nach der dortigen Dürreernte 2021 und der überraschend hohen Produktion in der EU. Insgesamt stieg dadurch das globale Angebot im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt rund 10 Mio. t. Das sind 15 Prozent mehr Raps als ein Jahr zuvor“, analysieren auch die Marktexperten der Agravis Raiffeisen AG in Münster.

Ölmühlen scheinen gut gedeckt zu sein

Der Blick nach vorne lässt kaum Knappheitsfantasien entstehen: In der kommenden Saison 2023/24 erwartet die EU-Kommission ein im Wesentlichen stabil hohes Rapsangebot von 26,1 Mio. t. Die Agravis geht davon aus, dass sich das Rapsangebot aus der Ukraine trotz des Krieges gegenüber dem Vorjahr erholen wird: Das Landwirtschaftsministerium dort beziffere die Produktion mit bis zu 4 Mio. t; ein Plus von fast 1 Mio. t gegenüber 2022.

Die Angebotsseite ist das eine, das andere ist die Nachfrage. Und die ist nach Einschätzung der Agravis derzeit mit Blick auf die Verarbeiter verhalten: „Die Ölmühlen scheinen gut gedeckt zu sein bis zum Anschluss an die neue Ernte“, heißt es aus Münster.

Der Verband der Ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (Ovid) hat nach eigenen Angaben im Kalenderjahr 2022 schätzungsweise 1 Mio. t weniger Ölsaaten verarbeitet als 2021; alleine bei Rapssaat sei ein Rückgang um 0,8 Mio. t zu verzeichnen gewesen. Auf Anfrage weist Ovid darauf hin, dass die Verarbeitung von Ölsaaten insbesondere im 2. und 3. Quartal 2022 gestockt habe. Gründe dafür waren „geringe Ernten der Vorjahre, durch Corona beeinträchtigte Lieferketten, Krieg in der Ukraine und Niedrigwasser, wodurch der Transport auf Wasserstraßen beeinträchtigt wurde.“

Verfügbarkeit an Speiseöl normalisiert

Aktuell, so Ovid weiter, habe sich die Versorgung mit Speiseölen und Eiweißfutter trotz des anhaltenden Konfliktes normalisiert: „So haben die ukrainischen Exporte von Getreide, Sonnenblumen und Raps nahezu wieder das Vorkriegsniveau erreicht.“ Die Ölmühlen in Deutschland verarbeiten nach Angaben des Verbandes neben Rapssaaten aus deutscher Landwirtschaft „Rapssaaten aus allen Nachbarstaaten, aus den Baltischen Staaten, aus der Ukraine und aus Australien.“

Und die Konkurrenz, die hiesiger Raps durch australische Importware erfährt, wird in diesem Jahr deutlich größer werden: Offizielle Schätzungen aus Australien beziffern die dortige Ernte von Canola mit 8,3 (Vorjahr: 6,8) Mio. t. Die kanadische Agrarpublikation Western Producer hält Exporte in Höhe von 6,5 Mio. t Canola für möglich, was mehr als dem doppelten der üblichen Menge entspräche. Ein Löwenanteil der australischen Canola-Ausfuhren ging nach Angaben der Außenhandelsstatistik in Australien in den vergangenen Monaten nach Deutschland.

Konkurrenz aus Australien

„Die starken australischen Exporte, zusammen mit einer besseren Produktion in Kanada in 2022 nach der Dürre in 2021 und einer guten Ernte in Europa, haben die Rapspreise weltweit unter Druck gebracht“, sagt auch Stefan Vogel, der das Research der Rabobank in Australien und Neuseeland leitet.

Importe aus einer anderen Richtung könnten derweil den Markt für Raps in Europa und somit auch Deutschland zusätzlich unter Druck setzen. Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) berichtet über „signifikante“ Einfuhren von chinesischem Biodiesel. Für den Rapsmarkt nicht unerheblich, war im Jahr 2022 Raps laut VDB zu 55 Prozent Rohstoff für die Biodieselproduktion; bei 3,5 Mio. t insgesamt entsprach der Anteil von Raps damit 1,943 Mio. t.

Druck durch „Brown Grease“ aus China

Aus China gelangt nun Biodiesel aus abgeschiedenem Fett, das in Großküchen, bei Ölmühlen oder in der Produktion von Seife anfällt, auf den europäischen Markt. Was den Druck verschärft: Bei der Beimischung von Biodiesel darf dieser Kraftstoff doppelt angerechnet werden. Denn laut der Erneuerbare-Energien-Richtlinie ist der chinesische Biodiesel aus sogenanntem „Brown Grease“ fortschrittlich, da dieser nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion steht. Inverkehrbringer von Kraftstoff können also durch eine geringere Beimischung von Biodiesel ihre Treibhausgas-Einsparquote erfüllen – was potenziell zu Lasten der Beimischung von Biosprit aus Rapsöl geht.

Passend dazu bestätigt die Agravis, dass „das Rapsölangebot in der EU derzeit viel höher ist als die Nachfrage.“ Entlastung könnte nach Einschätzung der Münsteraner zumindest theoretisch aus China kommen: „Auf der Welt gibt es mit China nur einen großen Importeur von Rapsöl. Jetzt stellt sich die Frage, ob China nun auch größere Mengen Rapsöl aus der EU kaufen wird“, heißt es dazu von der Agravis.“ Potenziell denkbar, denn: „Rapsöl hierzulande ist auch deutlich günstiger als in Kanada. Von dort deckt China normalerweise größtenteils seinen Importbedarf.“

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