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Rede des Geschäftsführers Ferdi Buffen anlässlich des Weuthen Kartoffeltages 2018

Artikel vom  30.08.2018 12:10 Uhr von Patrick Bredemeier

Aktuelle Situation und Markteinschätzung für die Ernte 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

es ist noch keine 8 Wochen her, dass wir wertvollen Rohstoff im Futtertrog entsorgt und Kassanotierungen von 1,00 bis 3,00 €/100 kg hatten.
Es ist kaum zu glauben, aber auch diese und nächste Woche werden noch einige tausend Tonnen alterntige Kartoffeln verarbeitet.

Noch Anfang Juni erwarteten wir bei der Saisoneröffnung in der Pfalz und auch im Rheinland einen normalen, durchschnittlichen Wachstumsverlauf.

Und heute befinden wir uns in ganz Nordwesteuropa im Krisenmodus und wir stehen vor der größten Herausforderung der letzten Jahre.
2018 wird die extremen Dürrejahre 1959, 1976 und 2003 noch toppen und in die Geschichte eingehen.

Rufe nach der Politik, Druck seitens der Erzeuger, Kammerberater, LEHs und Vertragspartner lassen leider keine extra Mengen Kartoffeln wachsen. Diese Herausforderungen können wir als Partner der Landwirtschaft und unsere Abnehmer nur gemeinsam bewältigen!

Die Kartoffelwirtschaft unterliegt keiner Marktordnung, sondern unterwirft sich den Gesetzen des Marktes. Sicher begrüßen wir, dass notleidenden Landwirten in der vergangenen Woche finanzielle Hilfen vom Steuerzahler zugesagt wurden. Diese werden Kartoffelanbauer, trotz zum Teil enormer finanzieller Einbußen, kaum oder gar nicht in Anspruch nehmen.
Wir als Kartoffelwirtschaft legen großen Wert darauf, dass unser Produkt nicht Regularien aus Brüssel unterliegt und dies soll auch so bleiben.

Daher müssen und werden wir diese Herausforderung gemeinsam meistern!

Trotz der letztjährigen desaströsen Preise wurde die Kartoffelfläche für 2018 - mangels Alternativen im Ackerbau- nochmals mindestens 2 bis 3 % ausgedehnt.

Die Speisefrühkartoffelvermarktung verlief in Deutschland zunächst träge. Importware aus Israel und Südeuropa wurde zunächst der deutschen Ware vorgezogen. Auch der Hitze geschuldet, waren die Umsätze klein und bis Ende Juli hatte sich ein Roderückstand in allen wichtigen Anbauregionen gebildet. Doch die Erzeuger konnten dies bei der Extremwetterlage gelassen sehen. Die Nachfrage seitens der Verarbeiter sorgte in den letzten Wochen für eine zügige Vermarktung zu auskömmlichen Preisen von über 20,00 €/100 kg.
Unsere robusten, ertragreichen Sorten Anais, Ranomi, Musica und Melody zeigten dabei überdurchschnittliche Erträge und auch gute Verarbeitungseignung.
Annabelle ist die frühe, festkochende Salatkartoffel. Doch auch die Sorte Glorietta konnte in diesem Jahr mit guten Qualitäten überzeugen.

Die Sorte Jazzy präsentiert sich für den weiter steigenden Markt der „Baby-Kartoffeln“ und der Kleinstverpackungen hervorragend und vor allem ertragssicher.

Trotz hoher Vorräte alterntiger Kartoffeln erfolgte der Markteinstieg ab Mitte Juli für die frühen Verarbeitungssorten planmäßig.
Die bewährten Sorten Premiere und Amora bewiesen erneut ihre zuverlässige, frühe Verarbeitungseignung. Im Anschluss bestätigen Sinora, Marvel und Arsenal ihre Trockenresistenz und Robustheit.
Auch die Sorte Zorba stellte erneut auf allen Standorten ihren hohen Ertrag und ihre sichere Eignung für den Fastfoodbereich unter Beweis.
Doch ganz ohne Regen können auch die besten Kartoffelsorten keine vernünftigen Erträge produzieren.
Dies gilt auch für die bewährte Chipssorte Lady-Rosetta und die vielversprechenden Newcomer Austin, Orwell und Brooke.

• Die Vermarktung der frühen Veredelungs- und Doppelnutzungssorten wird bis Mitte September weitgehend abgeschlossen sein.
• Die Abwicklung der Chipssorten läuft planmäßig bis Ende Oktober.
• Bei den derzeit in der Erntephase historisch hohen Kassapreisen werden weiterhin nennenswerte Mengen der Export- und Speisesorten in die Verarbeitung abfließen.
• Hohe Rohstoffpreise, mangelnde Verfügbarkeit und deutlich kürzere Pommes Frites bereiten auch den Fabriken große Sorgen. Wie soll die globale Kundschaft weiter bedient werden? Sicher können in dieser Saison nicht alle aufgerüsteten Produktionsanlagen mit voller Kraft arbeiten und es gilt, jedes Kilogramm des wertvollen Rohstoffs klug und möglichst werthaltig zu nutzen.
• Auch die Abpacker und der LEH stehen in den kommenden Monaten vor einer großen Herausforderung und müssen sich dem knallharten Wettbewerb um Rohstoff mit den hungrigen Fabriken stellen. Auch wenn für die Speisekartoffelproduzenten die Marktpflege sehr wichtig ist, muss dies mit entsprechenden Bedingungen und Erlösen honoriert werden.


Die Haupternte stellt sich unserer Meinung nach wie folgt dar:

In den meisten Regionen warten wir immer noch auf ergiebige Niederschläge! Für die meisten Parzellen kommt dieser ohnehin zu spät.
Die meisten Kartoffelbestände der mittelfrühen Sorten sind bereits in die natürliche Abreife übergegangen und haben kaum noch Wachstumspotential.

Bei noch grünen Beständen stirbt die Hoffnung zuletzt. Hier gilt es, zwischen Qualität und Quantität abzuwägen. In sehr vielen Parzellen zeigt sich Durchwuchs, der uns vor weitere große Herausforderungen stellt. Die Lager- und Verarbeitungsfähigkeit kann heute nicht beurteilt werden. Zunächst kann jedoch in den meisten Fällen die Devise nur lauten: Besser schlechter Rohstoff als keinen Rohstoff.

Dass sich unser Klima verändert, steht außer Zweifel. Unsere Erfahrungen aus 2018 werden unsere Anbautechnik und unsere Sortenwahl in Zukunft ausrichten.

Die europäischen Züchterhäuser stellen sich mit ihrer konventionellen, aber trotzdem modernen, Zuchtarbeit täglich diesen Anforderungen. Sie können sich auf den Versuchsparzellen und im Dialog mit den Spezialisten ein Bild über den derzeitigen Zuchtfortschritt machen.
Von unseren schmackhaften festkochenden Sorten Jazzy, Loreley und Malika haben wir, dank der Unterstützung der Landfrauen Waldniel, im Weuthen-Pavillion Verkostungsproben bereitgestellt.

Des Weiteren stellen wir dort veredelte Kartoffelprodukte von unseren namhaften Abnehmern aus.

Die Firma Böhmer zeigt in ihrem Trailer, welche innovativen Möglichkeiten es gibt, unser schmackhaftes und gesundes Produkt zu verpacken sowie den Verbrauchern zu präsentieren.


Proberodungen und Ernteschätzung:

Unsere Ergebnisse der Proberodungen aus allen wichtigen Anbauregionen liegen vor.

Wir erwarten im gesamten HAFPAL-Gebiet eine historisch kleine Ernte. Nur in Teilen Süddeutschlands, Österreichs, Polens und Südosteuropas haben wir halbwegs normale Aufwüchse vorzuweisen.

Neben den schwachen Erträgen bereitet dabei überall der Durchwuchs große Sorgen. Hiervon sind fast alle Verarbeitungssorten, aber auch Speisekartoffelsorten, betroffen.

Bei den Erträgen gibt es extreme Unterschiede zwischen beregneten und nicht beregneten Standorten. Aber insbesondere auf den nicht beregneten Standorten zeigt sich als ertragsstabilisierender Faktor die Wahl der geeigneten Sorte, die Fruchtfolge, die Vorfrucht als auch oftmals die Geduld des Betriebsleiters im Frühjahr.

Unsere Schwerpunktsorten Agria, Challenger, Fontane, Markies, Arsenal und Horizon haben meist noch ein kleines Wachstumspotential und bestätigen unsere Strategie, auf robuste Hochertragssorten zu setzen. Die Erfolgsstory der Fontane, als nunmehr größte Verarbeitungssorte in Europa, bestätigt uns darin.
Auch die nicht beregneten Innovator-Parzellen haben aufgrund des niedrigen Knollenansatzes gute Verarbeitungseignung, aber enttäuschende Erträge.

Noch im Aufbau befindliche Sorten und Newcomer wie z.B. Austin, Babylon , Chenoa und Marvel zeigen gute Ergebnisse. Besonders die sehr kleinfallende Spezialsorte Gerona bestätigt und übertrifft rund um den Globus die Erwartungen.

Die Sorte Jurata bestätigt in Bayern und auch im Rheinland zum wiederholten Male ihre Trockenresistenz und steht daher für das Fast-Food-Segment neben der Doppelnutzungssorte Diva in unserem Fokus.


BIO-Anbau

Wir haben in diesem Jahr erstmalig einen nennenswerten Vertragsanbau von Bio- Verarbeitungskartoffeln etabliert. Die Erträge sind dort durchschnittlich.
Neben Agria, Fontane und Markies zeigen die phytophthora-resistenten Sorten Carolus und Alouette ansprechende Ergebnisse.


Was können wir in den kommenden Monaten erwarten?

Die Versorgungslage bleibt in allen Verwertungsrichtungen sehr spannend. Die sehr kleine Haupternte muss noch geerntet werden. Die durchschnittlichen Niederschläge eines Jahres werden irgendwann einmal kommen - hoffentlich nicht zur Ernte.
Doch die entsprechende innovative Technik zur Bewältigung dieser Herausforderungen können Sie heute hier im Einsatz sehen.

Die Verarbeitungsindustrie hat erhebliche Kapazitäten geschaffen und wird versuchen, diese durch Rohstoffschonung und kreativen Umgang mit den verfügbaren Kartoffeln weitestgehend auszulasten. Dass jedoch in den letzten Wochen Regale mit Chips oder Püree und Tiefkühltruhen mit Pommes Frites leer waren, sind ein deutliches Signal, vor welcher Aufgabe die europäische Kartoffelwirtschaft steht.

Es wird einen Wettbewerb aller Verwertungsrichtungen um den wenigen noch verfügbaren freien Rohstoff geben.

Hohe Verkaufspreise und weiter schrumpfende Verpackungsgrößen werden die Absatzmengen im Speisemarkt weiter nach unten korrigieren. Daher gilt es, auch die langfristigen und nachhaltigen Absatzstrukturen im Auge zu halten.


Pflanzkartoffeln

Auch bei Pflanzkartoffeln erwarten wir deutlich unterdurchschnittliche Erträge mit guten Qualitäten und hohen Ausbeuten in pflanzfähiger Sortierung.

Frühe Verarbeitungs- und Doppelnutzungssorten werden sehr gefragt sein.
Auch die bewährten Pommes-Frites- und Chipssorten der Haupternte werden knapp sein.

Über Neuigkeiten aus den europäischen Zuchtgärten und Verfügbarkeiten können Sie sich draußen auf den Versuchsfeldern erkundigen.


Erntemengen 2018

Wir haben eine historisch kleine Ernte vor der Brust. In Zahlen schätzen wir dies derzeit wie folgt ein:

• Deutschland: 8,25 – 8,75 Mio. to
• EU 5: 20,00 – 22,00 Mio. to

Dies würde bedeuten, dass wir in Deutschland ca. 2 Mio. Tonnen und im HAFPAL-Gürtel 6 bis 7 Mio. Tonnen weniger Rohstoff verfügbar haben als im Durchschnitt der letzten Jahre.


Wie gehen wir mit diesem Worst-Case-Szenario um?

Zunächst bleibt festzustellen, dass die Ernte 2017 über 13,5 Monate vermarktet wurde. Rechnerisch dauert die Saison 2018 nur 11 Monate. Neben dem schonenden Umgang mit Rohstoff wird eine Ausdehnung der Frühkartoffelflächen in allen denkbaren Regionen ein Schlüssel zur Lösung des Problems sein. Auch die deutschen Frühkartoffelregionen werden hiervon profitieren!

Speisekartoffelmarkt:
Die Speisekartoffelpreise werden in den kommenden Wochen weiter durch die enorme Nachfrage der Verarbeitungsindustrie getrieben.
Daher wird es sogenannte „Aktionsware“ in den kommenden Wochen nicht geben. Auch zur Einlagerungsphase werden die Preise wohl, aus heutiger Sicht, kaum unter Druck geraten.
Wir erwarten daher Speisekartoffelpreise in der Ernte auf heutigem Niveau, je nach Region und Kocheigenschaft zwischen 24,00 und 28,00 €/100 kg. Übergrößen bei Speisekartoffeln sind in diesem Jahr knapp und teuer. Auch Drillinge haben einen guten Marktwert.
Viele Landwirte werden sich fragen, ob sie ihre Kartoffeln überhaupt einlagern sollen. Hier gilt es bei allen Marktteilnehmern, langfristig zu denken.
Die Kosten und das Risiko für die Lagerung müssen entsprechend honoriert werden, weshalb wir aus Kisten- und Kühllägern Preise von über 35,00 €/100 kg erwarten. Um den Rohstoff zu sichern, gilt es seitens der Abpacker und des LEHs, entsprechende Garantien zu geben.

Verarbeitungsmarkt:
Verarbeitungskartoffeln bleiben knapp und teuer. Trotzdem ist es heute noch nicht absehbar, ob in Folge von Qualitätsproblemen Wochen und Monate mit Vermarktungsdruck entstehen werden.

Bis Mitte/Ende Oktober rechnen wir mit Preisen zwischen 25,00 und 29,00 €/ 100 kg.
In der Lagerperiode sind heutige Terminmarktnotierungen von über 30,00 €/ 100 kg eher die Unterkante unserer Einschätzung für die Kassapreise.

• Oftmals verlief in den teuren Jahren die Preiskurve so, dass die Kassapreise im Dezember bis Februar höher waren als im Mai und Juni.

• Oftmals waren in teuren Jahren am Ende Kartoffeln über.

• Oftmals haben wir Importprogramme aus Bordeaux, Ägypten, Spanien und Italien organsiert und wollten diese Kartoffeln im Juni/Juli am liebsten schon nicht mehr haben.

• Immer haben solche Jahre zu einer Erhöhung der Vertragspreise geführt und zusätzlichen Anbau stimuliert.

• Extremjahre sind eine große Herausforderung. Sie kosten sehr viel Energie, stellen alles Bewährte in Frage und erfordern sehr viele Gespräche in der Wertschöpfungskette.

Extremjahre bieten aber auch sehr große Chancen:

• Chancen, die bestehenden Geschäftsbeziehungen gerade in Krisenzeiten zu festigen!
• Chancen, über einen nachhaltigen Kartoffelanbau intensiv nachzudenken.
• Chancen, sich auf die klimatischen Veränderungen einzustellen und entsprechende Risikovorsorge zu treffen.


Welche Konsequenzen ziehen wir aus dem Krisenjahr 2018?

Die diesjährige Ernte wird Einfluss auf die Vertragsgestaltung der Zukunft haben. Die derzeitigen Getreidepreise für die Ernte 2019 sind sicher auch ein gutes Argument für die Verhandlungen im kommenden Winter.

Der Bedarf an Frühkartoffeln wird für die Ernte 2019 entsprechend groß sein. Neben Importeuren aus Südeuropa bieten sich den spezialisierten Landwirten im Rheinland und in allen deutschen, belgischen und niederländischen Frühanbauregionen entsprechende Möglichkeiten. Bei unseren Kollegen in der Pfalz und in Südbaden sind wir bereits mit konkreten Vorstellungen über Konditionen und Mengen am Markt. Auch in Niedersachsen und im Rheinland wird dies der Fall sein, sobald ein Überblick über die Pflanzgutmengen vorliegt.

Die alternativen Ackerkulturen, vor allem die Zuckerrübe, stehen unter Druck. Daher wird das Interesse am Kartoffelanbau weiter steigen.

Die Landwirtschaft und die Kartoffelwirtschaft werden nach diesem Jahr noch enger zusammenrücken. Einige Geschäftsbeziehungen werden vielleicht auch nicht fortgeführt.

Die rheinische Region stellt dabei den Vertragsanbau nicht in Frage und wird weiter versuchen, ihren Vorsprung durch Produktionssicherheit und hohe Beregnungsintensität zu behalten. Dies muss jedoch entsprechend honoriert werden!

Und auch einige andere deutschen Regionen geraten wieder in unseren Fokus.

Trotz sehr hoher Kassanotierungen gibt es im diesjährigen Kartoffelmarkt aufgrund der Dürreschäden und hoher Vertragsdeckung nur sehr wenige Gewinner. Die Vertragslandwirte hoffen auf entsprechende Kompensation in den Folgejahren. Ich bin sicher, dass uns dies auch gelingen wird.

Der globale Markt für tiefgefrorene Kartoffelprodukte wächst weiter. Auch wenn wir in diesem Jahr bei der Wachstumskurve einen Rückschlag hinnehmen müssen, bieten sich den spezialisierten Kartoffelprofis sehr große Chancen!

Im nächsten Jahr findet der 30. Weuthen Kartoffeltag statt. Spätestens dann werden wir auf die „Veteranen“ der Ernte 2018 zurückblicken.
Unser Haus wird alles daransetzen, gestärkt aus der diesjährigen Krise hervorzugehen.

Das sehr engagierte Team der Firma Weuthen und aller RWZ-Kartoffeltöchter wünscht Ihnen gute und interessante Gespräche, viel Energie für die Bewältigung der laufenden Saison und eine weiterhin gute Zusammenarbeit.

Ihnen und uns rufe ich zum Abschluss mit rheinischer Gelassenheit zu:

„Et kütt, wie et kütt, on et hät noch immer jot jejange!“

„het komt zo als het komt, en het is nog steeds goed gegaan“

„It comes as it comes, but it still went well“

 

Schwalmtal, den 30.08.2018 Ferdi Buffen

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